Anhebung des Grundfreibetrags
Das so genannte Existenzminimum muss für alle steuerfrei sein. Dafür gibt es bei der Einkommensteuer den Grundfreibetrag. Er steigt rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 von zuvor 9.984 Euro um 363 Euro auf 10.347 Euro. Das entspricht einer Anhebung um insgesamt 6,18 Prozent gegenüber 2021.
Die weitere Anhebung des Grundfreibetrags dient dem teilweisen Ausgleich der kalten Progression entsprechend der tatsächlichen Inflationsrate 2021 bzw. der geschätzten Inflationsrate 2022. Damit werden alle Einkommensteuerpflichtigen entlastet, wobei die relative Entlastung für die Bezieher niedriger Einkommen höher ist. Im Ergebnis werden Löhne und Gehälter nicht höher besteuert, insoweit ihr Anstieg lediglich die Inflation ausgleicht.
Der Grundfreibetrag 2022 war mit dem Zweiten Familienentlastungsgesetz vom 1. Dezember 2020 von 9.744 Euro auf 9.984 Euro (um 2,46 Prozent) angehoben worden. Wenn der Grundfreibetrag zum teilweisen Ausgleich der kalten Progression entsprechend der tatsächlichen Inflationsrate 2021 um 3,1 Prozent angehoben worden wäre, hätte er auf 10.046 Euro statt 9.984 Euro angehoben werden müssen. Die weitere Anhebung des Grundfreibetrags 2022 um die derzeit geschätzte Inflationsrate 2022 von 3 Prozent führt zu einem Grundfreibetrag von 10.347 Euro.
Tipp: Normalerweise wird der Höchstbetrag für den Abzug von Unterhaltsleistungen ebenfalls entsprechend erhöht. Das ist dieses Mal aber der Fall. Er verbleibt für 2022 unverändert bei 9.984 Euro.
Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags auf 1.200 Euro
Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wurde zuletzt im Jahr 2011 auf das Niveau von 1.000 Euro angehoben. Jetzt ist er rückwirkend ab Jahresanfang 2022 um 200 Euro auf 1.200 Euro erhöht worden.
Werbungskosten werden daher bei der Einkommensteuer ohne Sammlung von Belegen ab 2022 in Höhe von 1.200 Euro pauschal anerkannt. Dies reduziert den administrativen Aufwand für Steuerpflichtige und Verwaltung.
Ein höherer Arbeitnehmer-Pauschbetrag erweckt zwar auf den ersten Blick den Anschein einer weitreichenden Entlastung aller Arbeitnehmer. Von der Anhebung profitieren jedoch hauptsächlich Arbeitnehmer, die überhaupt keine oder nur geringe beruflich veranlasste Aufwendungen haben sowie diejenigen, deren Aufwendungen vom Arbeitgeber erstattet werden.
Tipp: Liegen die in der Einkommensteuererklärung geltend gemachten tatsächlichen Werbungskosten höher, wird bei der Veranlagung der höhere Betrag berücksichtigt.
Rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs 2022
Mit der Anhebung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmer-Pauschbetrags werden Arbeitnehmer zeitnah steuerlich entlastet, denn diese beiden Beträge schlagen unmittelbar auf die Höhe der Lohnsteuer durch. Dies gilt entsprechend für die Annexsteuern (Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer).
Der bisher in 2022 vorgenommene Lohnsteuerabzug ist vom Arbeitgeber grundsätzlich zu korrigieren, wenn ihm dies – was die Regel ist – wirtschaftlich zumutbar ist. Die Art und Weise der Neuberechnung ist nicht zwingend festgelegt. Sie kann durch eine Neuberechnung zurückliegender Lohnzahlungszeiträume, durch eine Differenzberechnung für diese Lohnzahlungszeiträume oder durch eine Erstattung im Rahmen der Berechnung der Lohnsteuer für einen demnächst fälligen sonstigen Bezug erfolgen. Eine Verpflichtung zur Neuberechnung scheidet aus, wenn z. B. der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keinen Arbeitslohn mehr bezieht oder wenn die Lohnsteuerbescheinigung bereits übermittelt oder ausgeschrieben worden ist.
Tipp: Ändert der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug nicht, kann die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer beim Betriebsstättenfinanzamt bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung eine Änderung der Lohnsteuer-Anmeldung und somit eine Erstattung der Lohnsteuer beantragen oder – was die Regel sein dürfte – die höheren Freibeträge bei der Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen.
Technisch geht die rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs mit der Aufstellung geänderter Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2022 einher. Die Finanzverwaltung hat diese zwischenzeitlich bekanntgegeben.
Durch die rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs ergeben sich im Hinblick auf die Wahl der Steuerklasse bei Ehegatten keine Auswirkungen bei einem auf einen Zeitpunkt vor Verkündung dieses Änderungsgesetzes gebildeten Faktor. Dieser behält weiter seine Gültigkeit, längstens bis Ende 2023.
Vorziehen der Erhöhung der Entfernungspauschale auf 38 Cent für Fernpendler
Die bereits festgelegte Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer um 3 Cent auf 0,38 Euro je vollen Entfernungskilometer für die Jahre 2024 bis 2026 wird auf die Jahre 2022 und 2023 ausgedehnt. Die damit verbundene Entlastung wird somit vorgezogen.
Die Entfernungspauschale wird erhöht, um so pauschalierend die sich durch die CO2-Bepreisung ergebende Erhöhung der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte teilweise auszugleichen.
Arbeitnehmer können die Anpassung eines Freibetrags im Lohnsteuerabzugsverfahren wegen der höheren Entfernungspauschale beantragen. Allerdings wirkt sich die höhere Entfernungspauschale wegen des ebenfalls erhöhten Arbeitnehmer-Pauschbetrags nur insoweit aus, als der Erhöhungsbetrag den Betrag von 200 Euro überschreitet. Unterbleibt ein entsprechender Antrag, kann die höhere Entfernungspauschale im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer geltend gemacht werden.
In einem ersten Schritt war die Entfernungspauschale für die Jahre 2021 bis 2023 ab dem 21. Kilometer um 5 Cent auf 35 Cent angehoben worden. Jetzt wird der zweite Schritt zur weiteren finanziellen Entlastung der Fernpendlerinnen und Fernpendler vorgezogen und gilt bereits ab dem Jahr 2022.
Tipp: Die Entlastung für Fernpendler ist unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel. Sie gilt für alle Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob sie mit dem Pkw, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder z. B. mit einem Fahrrad oder E-Bike zur Arbeit fahren.
Auch für diejenigen Steuerpflichtigen, bei denen eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung anzuerkennen ist, wird die Anhebung der Entfernungspauschale vorgezogen und gilt bereits ab dem Jahr 2022.
Kritiker monieren, dass kein sachlicher Grund erkennbar ist, weshalb höhere Aufwendungen erst ab dem 21. Kilometer auftreten und berücksichtigt werden sollen. Zudem werde einseitig auf die Mobilität beim Weg zur Arbeit abgestellt. Auch Rentner und Menschen mit Behinderung sind jedoch auf das Auto angewiesen, um zum Einkaufen oder zum Arzt zu kommen. Gerade im ländlichen Raum legen sie dafür weite Strecken zurück. Auch diese Menschen brauchen eine Entlastung.
Ausblick: Die Bundesregierung strebt noch in dieser Legislaturperiode eine Neuordnung der Pendlerpauschale an, die ökologisch-soziale Belange der Mobilität besser berücksichtigt.
Geringverdienende profitieren bei der Mobilitätsprämie von höherer Pendlerpauschale
Die Erhöhung der Entfernungspauschale wirkt sich positiv auf die mit dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 eingeführte Mobilitätsprämie aus und entlastet somit auch Geringverdienende.
Zu beachten ist allerdings, dass die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags um 200 Euro zu einer Kürzung der Mobilitätsprämie von bis zu 28 Euro führt, weil in die Bemessungsgrundlage der Mobilitätsprämie nur Werbungskosten oberhalb des Arbeitnehmer-Pauschbetrags eingehen. Da diese Arbeitnehmer aufgrund des geringen Einkommens keine Steuerentlastung erhalten, verbleibt die Kürzung als reale Einkommensminderung.
Erhöhung des Kindergelds im Juli 2022 um einen einmaligen Kinderbonus
Das Kindergeld wird im Juli 2022 um einen einmaligen Kinderbonus von 100 Euro zur Abfederung besonderer Härten für Familien erhöht. Im Normalfall erfolgt automatisch eine Zahlung durch die zuständige Familienkasse. Ein gesonderter Antrag ist nicht erforderlich.
Ein Anspruch auf den Kinderbonus 2022 besteht für jedes Kind, für das im Juli 2022 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Kinder, für die im Juli 2022 kein Anspruch auf Kindergeld besteht, werden ebenfalls berücksichtigt, wenn für sie in einem anderen Monat des Jahres 2022 ein Kindergeldanspruch besteht. Um einerseits der Zielsetzung des Kindergelds zu entsprechen und andererseits unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, ist jedoch eine Berücksichtigung von Kindern, für die im Jahr 2022 kein Kindergeldanspruch besteht, nicht vorgesehen.
Der Kinderbonus wird im Rahmen der bei der Einkommensteuerveranlagung durchzuführenden Vergleichsberechnung zusammen mit dem Kindergeld berücksichtigt. Bei dieser so genannten Günstigerprüfung wird kontrolliert, ob sich Kindergeld und Kinderbonus oder die Entlastung aus den Freibeträgen für Kinder günstiger auswirken. Je höher das Einkommen ist, desto günstiger wirken die Freibeträge für Kinder. In diesen Fällen wird der Kinderbonus durch die allmählich einsetzende Besteuerung faktisch abgeschmolzen. Gutverdiener haben deshalb in der Regel keinen zusätzlichen Vorteil durch den Kinderbonus.
Tipp: Der Kinderbonus 2022 ist bei Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Es profitieren daher z. B. auch die Bezieher der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV). Im Ergebnis bleibt der Kinderbonus vollständig erhalten.