Außergewöhnliche Belastungen: Zumutbare Belastung ist schnell überschritten

Für bestimmte außergewöhnliche Belastungen wie z. B. Unterhaltskosten gibt es besondere eigenständige Regelungen im Einkommensteuergesetz (EStG). Daneben können nach § 33 EStG aber auch die sog. anderen außergewöhnlichen Belastungen abgesetzt werden. Das wird häufig übersehen.

Zu den anderen außergewöhnlichen Belastungen gehören drei Haupt-Fallgruppen:

  • Kosten für Bestattung eines Angehörigen

Zu den außergewöhnlichen Belastungen gehören nur solche Aufwendungen, die unmittelbar mit der eigentlichen Bestattung zusammenhängen. Nur mittelbar mit einer Bestattung zusammenhängende Kosten werden mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Zu diesen mittelbaren Kosten gehören z. B. Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen, Aufwendungen für die Trauerkleidung und Reisekosten für die Teilnahme an einer Bestattung eines nahen Angehörigen.

Tipp: Die Kosten für die Bestattung werden nur insoweit anerkannt, als sie notwendig und angemessen sind. Im Hinblick auf den höchstpersönlichen Charakter, den die Ausgestaltung von Trauerfeierlichkeiten hat, ist dabei allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine großzügige Beurteilung geboten.

Bestattungskosten für Angehörige können geltend gemacht werden, soweit diese den Wert des Nachlasses übersteigen.

  • Kosten nach einem Unglück (z. B. Brand, Unwetter, Hochwasser)

Begünstigt sind – soweit sie nicht ersetzt werden – sowohl die Wiederbeschaffung von lebensnotwendigen Gegenständen (z. B. Hausrat und Kleidung) als auch die Beseitigung von Schäden.

  • Krankheits- und Kurkosten

Für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu erbringen. In bestimmten Fällen wird bei Krankheits- und Kurkosten allerdings ein amtsärztliches Gutachten – oder alternativ eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – verlangt. Das gilt insbesondere in folgenden Fällen:

  • Bade- oder Heilkur
  • Psychotherapeutische Behandlung
  • Medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines Kindes des Steuerpflichtigen, das an einer Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidet
  • Betreuung des Steuerpflichtigen durch eine Begleitperson, sofern sich die Notwendigkeit nicht bereits aus dem Nachweis der Behinderung ergibt
  • Medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Typische Beispiele sind spezielle Massageliegen oder Therapiestühle.
  • Wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie

Wichtig: Der Nachweis muss vor dem Beginn der Heilmaßnahme bzw. vor dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein.

Tipp: Neben den drei Hauptgruppen gibt es eine Vielzahl von Einzelfällen, bei denen eine außergewöhnliche Belastung anerkannt wird. Typische Beispiele sind:

  • Kosten für behindertengerechten Umbau eines Hauses oder einer Wohnung
  • Kosten für behindertengerechte Umrüstung eines Kfz
  • Kosten für krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen in einem Wohnstift oder einem Altenpflegeheim
  • Lösegeldzahlungen
  • Geldstrafe, die von einem ausländischen Gericht verhängt wurde und nach deutschem Rechtsempfinden als offensichtliches Unrecht erscheint

Bitte beachten: Nach einer Neuregelung durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz sind seit 2013 die Kosten für die Führung eines Rechtsstreits nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn es sich um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Die Kosten eines Scheidungsverfahrens sind daher nicht steuermindernd zu berücksichtigen.

Berücksichtigung der zumutbaren Belastung

Andere außergewöhnliche Belastungen führen nur dann zu einer Steuerermäßigung, wenn sie insgesamt einen bestimmten Teil der Einkünfte (sog. zumutbare Belastung) übersteigen.

Die Höhe der zumutbaren Belastung, die jeder Steuerzahler selbst tragen muss, richtet sich

  • nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte,
  • dem Familienstand und
  • der Zahl der Kinder.

Sie beträgt zwischen 1 und 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte. Was über die zumutbare Belastung hinausgeht, wirkt sich steuermindernd aus.

 

Gesamtbetrag der Einkünfte

Bis 15.340 Euro

Ledige ohne Kinder: 5 %

Ehepartner ohne Kinder: 4 %

Alleinerziehende/Ehepaare 1-2 Kinder: 2 %

Alleinerziehende/Ehepaare 3 Kinder: 1 %

 

Gesamtbetrag der Einkünfte

15.341 – 51.130 Euro

Ledige ohne Kinder: 6 %

Ehepartner ohne Kinder: 5 %

Alleinerziehende/Ehepaare 1-2 Kinder: 3 %

Alleinerziehende/Ehepaare 3 Kinder: 1 %

 

Gesamtbetrag der Einkünfte

Ab 51.131 Euro

Ledige ohne Kinder: 7 %

Ehepartner ohne Kinder: 6 %

Alleinerziehende/Ehepaare 1-2 Kinder: 4 %

Alleinerziehende/Ehepaare 3 Kinder: 2 %

 

Beispiel: Ein Ehepaar mit drei Kindern und einem Gesamtbetrag der Einkünfte für 2022 von 100.000 € macht andere außergewöhnliche Belastungen (u. a. kieferorthopädische Behandlung für die Kinder) in Höhe von 15.000 € geltend. Die zumutbare Belastung beträgt 1.488 €. Steuermindernd wirken sich somit 13.512 € aus.

Tipp: Für die wegen des Abzugs der zumutbaren Belastung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen kann ggf. die Steuerermäßigung für Pflegeleistungen, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen gemäß § 35a EStG beantragt werden.

Tipp: Andere außergewöhnliche Belastungen sollten Sie nicht auf mehrere Jahre verteilen, sondern möglichst in einem Jahr bündeln. Da es auf den Zahlungszeitpunkt ankommt, besteht hier durchaus Gestaltungsspielraum (z. B. Zahnersatz und Brille im selben Jahr bezahlen).

Grundregeln beim Abzug von Kosten als andere außergewöhnliche Belastungen

  • Begünstigt sind nach § 33 EStG nur außergewöhnliche Aufwendungen. Außergewöhnlich sind Aufwendungen, wenn sie nicht nur der Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen und insofern nur einer Minderheit entstehen. Typische Aufwendungen der Lebensführung sind ungeachtet ihrer Höhe im Einzelfall nicht außergewöhnlich.
  • Die Aufwendungen müssen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen.

Zahlungen in Erfüllung rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen erwachsen regelmäßig nicht zwangsläufig.

Zwangsläufigkeit dem Grunde nach ist in der Regel auf Aufwendungen des Steuerpflichtigen für sich selbst oder für Angehörige i. S. d. § 15 der Abgabenordnung (AO) beschränkt. Aufwendungen für andere Personen können diese Voraussetzung nur ausnahmsweise erfüllen, insbesondere bei einer sittlichen Verpflichtung.

  • Ein Steuerpflichtiger ist belastet, wenn ein Ereignis in seiner persönlichen Lebenssphäre ihn zu Ausgaben zwingt, die er selbst endgültig zu tragen hat.
  • Die Belastung tritt im Zeitpunkt der Zahlung ein. Dies gilt auch dann, wenn die Ausgaben über Darlehen finanziert werden. Eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Sie kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn sich hohe Aufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt haben.
  • Ersatz und Unterstützungen von dritter Seite zum Ausgleich der Belastung sind von den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen abzusetzen, es sei denn, die vertragsgemäße Erstattung führt zu steuerpflichtigen Einnahmen beim Steuerpflichtigen.

Die Ersatzleistungen sind auch dann abzusetzen, wenn sie erst in einem späteren Kalenderjahr gezahlt werden, der Steuerpflichtige aber bereits in dem Kalenderjahr, in dem die Belastung eingetreten ist, mit der Zahlung rechnen konnte.

Werden Ersatzansprüche gegen Dritte nicht geltend gemacht, entfällt die Zwangsläufigkeit, wobei die Zumutbarkeit Umfang und Intensität der erforderlichen Rechtsverfolgung bestimmt.

  • Die Geltendmachung der Aufwendungen nach § 33 EStG ist ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat. Dies gilt auch, wenn lebensnotwendige Vermögensgegenstände, wie Hausrat und Kleidung, wiederbeschafft werden müssen.
  • Die Erlangung eines Gegenwerts schließt insoweit die Belastung des Steuerpflichtigen aus. Einen Gegenwert erhält der Steuerpflichtige, wenn der betreffende Gegenstand oder die bestellte Leistung eine gewisse Marktfähigkeit besitzen, die in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck kommt.
  • Ein eigenes (ursächliches) Verschulden schließt die Berücksichtigung von Aufwendungen zur Wiederherstellung von Vermögensgegenständen nach § 33 EStG aus.
  • Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, sind auch dann keine außergewöhnlichen Belastungen, wenn sie sich steuerlich tatsächlich nicht ausgewirkt haben.
  • Andere außergewöhnliche Belastungen sind in der amtlichen Anlage ‘Außergewöhnliche Belastungen‘ anzugeben. Die zumutbare Belastung muss nicht abgezogen werden. Das macht das Finanzamt automatisch.